HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

Menu
Fred Stein

Fred Stein

Die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf präsentiert einen Meister der fotografischen Moderne

Exilant Fred Stein – Advokat mit der Kamera   

Alfred Stein (später Fred Stein, * 03. Juli 1909 in Dresden; † 27. September 1967 in New York City) war ein Pionier der Kleinbildfotografie. Insbesondere seine Bildreportagen von den Straßen von Paris aus den 1930er Jahren und seine Portraits brachten Stein Weltruhm ein.
FS war der Sohn des Rabbiners Leopold Stein und Eva Wollheim Stein. Im Alter von 16 Jahren schloss er sich in Dresden den Sozialisten an. 1933 beendete er das Jurastudium an der Universität Leipzig. Noch Anfang des Jahres, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, verteilte er vom Fahrrad aus antifaschistische Flugblätter.

Im August 1933 heiratete er Liselotte „Lilo“ Salzburg, die Tochter eines jüdischen Arztes. Wenig später setzten Nachforschungen der SS ein, und unter dem Vorwand, die Hochzeitsreise nach Paris zu unternehmen, emigrierte das Paar nach Paris. Dort begann Stein, mit einer Leica dem Hochzeitsgeschenk des Paars für einander – zu fotografieren. Seine Aufnahmen von Straßenszenen, oft abstrakt, werden der Kunst der Moderne zugerechnet. Er erzählte später, die Leica habe ihm das Fotografieren beigebracht.

Nach dem Angriff von Nazideutschland auf Frankreich 1939 tauchte das Paar unter. Zusammen mit ihrer am 17. August 1938 geborenen Tochter Ruth gelang den Steins am 7. Mai 1941 die Flucht aus Paris nach Marseille, wo sie mit dem französischen Ozeandampfer SS Winnipeg nach New York übersetzten. Dort kam am 12. Oktober 1943 Sohn Peter zur Welt, der später als Kameramann bekannt wurde und heute den Nachlass seines Vaters verwaltet.

Stein setzte in den USA seine Karriere mit einer Rolleiflex-Mittelformatkamera fort. Sein Ruf als Fotograf mit einem klaren, puristischen Schwarzweißstil öffnete ihm die Türen zu zahlreichen Künstlern, Politikern und Wissenschaftlern. Er starb 58jährig 1967 in New York. Seine Bilder sind heute in großen Museen der Welt zu sehen, etwa in der National Portrait Gallery (Washington) und im Jüdischen Museum Berlin. (Wikipedia)

Bis 28. Mai d. J. zeigt die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf die vom Jüdischen Museum Berlin konzipierte Ausstellung „Fred Stein: Auf dem Weg. Dresden-Paris-New York“ mit Fotos von FS, der eigentlich Jurist war und sich als Emigrant in der Fremde eine neue Existenz aufbauen musste. Düsseldorf präsentiert die Ausstellung „Im Augenblick“ und nimmt in einer Erweiterung den Menschen Stein, seine Familie und deren Weg ins Exil in den Blick.

Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Mühlenstraße 29, bis zum 28. Mai d. J.
Öffnungszeiten: Di-Fr und So 11-17 Uhr, Sa 13-17 Uhr, Mo geschlossen. Eintritt gratis

Die Arbeitsweise des „Advokaten des Humane“: Aufwendige Inszenierungen und dramatische Lichteffekte interessierten Stein nicht, er bevorzugte natürliches Licht. Blitzlicht wurde nur eingesetzt, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Er arbeitete schnell und unaufdringlich. Retuschen wurden vermieden, was zu „Diskussionen“ mit Ehefrau Lilo führte, die vor allem bei Frauenportraits geschönte Versionen wünschte. Deshalb favorisierte er Männerportraits und blieb dabei kompromisslos. Fragten ihn Portraitierte, warum sie so alt auf den Fotos aussähen, antwortete er ’sie sollten doch einfach einmal in den Spiegel sehen‘.

Steins Ziel waren authentische Motive. … „und ich muss sagen, das ist auch der Sinn, den ich der Portraitfotografie gebe: einen Ersatz (im Wege der Fotografie) für den lebenden Menschen zu schaffen, ein Bild, das über den äußeren und inneren Menschen aussagt.“

Mehr als 1200 Menschen haben sich von ihm fotografieren lassen. Darunter höchste Repräsentanten aus Kultur, Politik und Wissenschaft. Von W. H. Auden, Bertold Brecht, Martin Buber, Pearl S. Buck, Alexander Calder, Le Corbusier, Marc Chagall, Fidel Castro, Marlene Dietrich, Salvador Dali, Willem de Kooning, Albert Einstein, Max Ernst, Gustaf Gründgens, David Ben-Gurion, Hermann Hesse, Aldous Huxley, Arthur Koestler, Georgia O´Keeffe, André Kertész, André Malraux, Thomas Mann, Klaus Mann, Norman Mailer, Dorothy Parker, Edward Steichen, Herbert von Karajan, Josef von Sternberg, Isaac Bashevis Singer, Arnold Schönberg, Thornton Wilder bis Frank Lloyd Wright.

„Dresden vertrieb mich; so wurde ich Fotograf.“

„Wir waren immer ein Zwei-Mann-Betrieb, denn Lilo hat alles mit mir gemeinsam aufgebaut. Oft war sie diejenige, die mich ermutigte weiterzumachen, besonders dann, wenn technische Schwierigkeiten auftraten.“

„…mit Jura konnte ich … in Frankreich nichts anfangen, und so nahm ich die vor dem Verlassen Dresdens erstandene alte Leica als willkommenes Produktionsmittel: ich wurde Fotograf. … Eine Schulung hatte ich nie für diesen Beruf, das technische Mindestmass – Entwickeln etc. – brachte mir in zwei Stunden ein anderer deutscher Rechtsanwalt in Paris bei.“

„Du hast nur diesen einen Moment. Wie ein Jäger, der sein Ziel anvisiert, wartest du auf den Augenblick, der aussagekräftiger ist als alle anderen.“

„Die Kamera unterscheidet nicht zwischen Berühmtheiten und einem Niemand, zwischen einem guten Freund und einem völlig Fremden, wenn sich der Verschluss öffnet.“

„…ich bin der ehrlichen Meinung, dass Sie einer der besten zeitgenössischen Portraitfotografen sind.“ (Hannah Arendt)

„Ich begegnete Fred, als wir beide Flüchtlinge waren und das
totalitäre Naziregime mit den ziemlich bescheidenen Mitteln
bekämpften, die uns zur Verfügung standen. Für seine Zeit war
er sehr avantgardistisch, ein brillanter Fotograf, inspiriert von
seinem Streben nach Gerechtigkeit und seiner Sorge um die
Wahrheit, die sich in seinen Fotografien so deutlich widerspie-
geln. Er war ein echter Visionär, wie die Auswahl der Menschen
und Motive, die er fotografierte, eindeutig beweist.“
(Willy Brandt, 1983)

„Fred Stein war ein Vertriebener; der Zufall machte ihn zum
Außenseiter. Aus dieser Position heraus entwickelte er seinen
Blick und seine Arbeitsweise. Der Zufall wollte es auch, dass
Stein 1967 starb, noch bevor in den 1970er-Jahren eine Welle des
Interesses an dokumentarischer Fotografie durch New York roll-
te, die den Ruhm von Fotografen wie Robert Capa, Henri Car-
tier-Bresson, Brassaï und André Kertész festigte, während Steins
Name in den Abhandlungen der Kunstgeschichte keinen Platz
fand. Fred Stein war ein überwältigender Meister der dokumen-
tarischen Kunst. Mit dieser Auswahl aus seinem Werk kehrt
er endlich in die Gesellschaft der großen Namen zurück.“
(Rosemary Sullivan, emerierte Professorin der University of Toronto)

(Die Zitate sind den Informationstafeln der Ausstellung sowie Pressetexten des Jüdischen Museums Berlin und des Kehrer-Verlags entnommen).

Fotomotive: Hannah Arendt, New York, 1944 – Kinder in Harlem, New York, 1947 – Little Italy, New York, 1943 © Nachlass Fred Stein

Text: Hartmut Bühler (Februar 2017)