HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

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Horst Wackerbarth

Horst Wackerbarth

Horst Wackerbarths Blick auf Ruhrgebietler, Rheinländer, Sauerländer und Westfalen

Heimat auf dem Roten Sofa
Heimat als emotionales Thema ist hierzulande angesichts der aktuellen Zuwanderungszahlen lebendiger denn je. Hunderttausende kamen nach Deutschland, zehntausende nach Nordrhein-Westfalen. Und das bevölkerungsreichste Bundesland feiert in 2016 seinen 70. Geburtstag. NRW hat etwa 18 Millionen Einwohner und wird für weitere wenigstens 240000 Menschen zur neuen Heimat werden.

Mit Heimat befasst sich der Düsseldorfer Horst Wackerbarth (66) im Grunde seit 1979. Seitdem hat er mehr als 900 Menschen in über 50 Ländern der Erde auf seinem Roten Sofa fotografiert. Seit einem Jahr portraitiert er nun „Ruhrgebietler, Rheinländer, Sauerländer und Westfalen“. Bis heute sind das mehr als 100 Persönlichkeiten, und das Projekt geht weiter.

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Mehr als 300 Bilder und Videos sind bis 30. Oktober im NRW-Forum in Düsseldorf und im Foyer des Landtagsgebäudes zu sehen. Aufgeteilt in zwölf Red Couch-Projekte, Portraits der Serie „Heimat.NRW“ und bisher noch nie gezeigte frühe Arbeiten. Nach Düsseldorf wandert die Ausstellung in verschiedene Städte des Ruhrgebiets. Ruhrspeak wird die Ausstellungsorte frühzeitig bekannt geben. Unterstützt wird „Heimat.NRW“ von Evonik Industries, der RAG-Stiftung und nicht zuletzt der NRW-Stiftung Natur-Heimat-Kultur. Mehr als 80 Werke hat diese vom Fotografen gekauft.

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Wackerbarth, geboren in Fritzlar bei Kassel, hat den Heimatbegriff lange Zeit aus seinem Leben „ausgeklammert“ und kam doch nie vollständig davon los. Seine Fluchten ins Ausland – acht Jahre lebte er in den USA – liegt auch begründet in der Ablehnung der Elterngeneration mit häufig brauner Vergangenheit und einem fragwürdigen Heimatverständnis.

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Wackerbarths Herangehensweise an die Heimat ist einzigartig: sein mobiles Rotes Sofa wirkt wie ein Thron, ist Kommunikationsplattform im besten Sinne des Wortes. Es unterstreicht die Individualität seiner Protagonisten und rückt sie in den Fokus. Zusätzlich stellt er während eines mehrminütigen Video zwölf universelle Fragen an die Portraitierten. So reichen denn seine Portraits weit hinaus über Klischees à la „Heimat ist da, wo meine Familie ist“ oder „Heimat ist dort, wo ich meine Füße auf die Couch legen kann“.

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Wackerbarth ist ein Jäger und Sammler von Menschen und Schicksalen. Der ehemals rastlose Weltreisende und jetzige Entdecker des Ruhrgebiets und Nordrhein-Westfalens über seine Galerie der Menschheit oder vielleicht besser Menschlichkeit: „Dank der Globalisierung kann durch den Mikrokosmos Nordrhein-Westfalen die ganze Welt gesehen werden.“

Wackerbarth vertieft sich in seine „Region“ und huldigt ihr mit einer digitalen Hasselblad. Die Videos entstehen mit einer Canon. Auf die 8×10 Inch-Fachkamera früherer Zeiten verzichtet Wackerbarth aus Kostengründen.

Referenzen ans Ruhrgebiet sind die Motive „Auf Kohle geboren“ (Aufnahmeort: Prosper-Haniel in Bottrop), „Heimat und Fremde“ (in der Maschinenhalle Pattberg, Moers), „Parallel-Universum“ (Krankenschwester Elli im Stadion von Borussia Dortmund), „Gelsenkirchen-Schalke“ (Glückauf-Kampfbahn Gelsenkirchen), Generation Opel (Aufnahmeort Bochum-Laer, Opel Werk 1, Tor 4), A52 Kreuz Essen-Ost, „Kleingarten-Idylle“ im Kleingartenverein „In der Bräuke“ in Bottrop-Kirchhellen oder LineS9 bei Essen-Kupferdreh. Weitere Motive sind die Portraits „Internationale Beziehungen 1 – 3 im Chemiepark Marl.

Für die permanente Weiterentwicklung seines Konzeptes steht exemplarisch das Motiv „Monotheistische Religionen“. Mit seiner magischen Kommunikationsplattform schafft es Wackerbarth, drei Vertreter unterschiedlicher Religionen aufs Sofa zu bewegen. Pfarrer Frank Hufschmidt, Imam Yusuf Incegeles und Rabbiner Yaacov Zinvirt gemeinsam auf der Roten Couch im Landschaftspark Nord in Duisburg. Zinvirt: „Wir drei haben viele Gemeinsamkeiten und ein großen, gemeinsamen Nenner: Es gibt nur einen Gott.“

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Wackerbarth bewegt Menschen. Sein Rotes Sofa bedeutet für ihn Segen und Fluch zugleich: „Dadurch werden meine anderen Arbeiten nicht genügend gewürdigt.“ Die Alleinstellung der Red Couch ließ ihn zum Initiator werden von Copyright + Mediation, einer Schlichtungsstelle für Urheberrecht, die mit der „Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf“ zusammenarbeitet. Nachahmer seiner und des US-Fotografen Kevin Allan Clarke 1979 geborenen Rote Couch-Idee ließen ihn diverse Prozesse führen – den letzten 2014 gegen die Stadtwerke Bonn. Deren Werbekampagne warb mit einer „Blauen Couch“. Juristisch kam zu dann zu einem Vergleich.

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Dr. Raymund Stecker, bis 2013 Direktor des Wilhelm-Lehmbruck-Museums in Duisburg: „Die Photographien von Wackerbarth gehören in ein Museum für internationale Skulptur, denn die Rote Couch ist nach der Beuys´schen Definition eine Soziale Plastik und jede Foto-/Videoproduktion mit der Roten Couch ist immer auch eine Intervention in gesellschaftliche Prozesse.“

Für die Ausstellung wurden „Transfer Artprints A1A“ verwendet, entwickelt vom Düsseldorfer Fachlabor HSL. Sie sollen 200 Jahre „halten.“

Wer nicht zur Ausstellung nach Düsseldorf reisen kann: Jede Menge Bilder sind zu sehen auf der Homepage des Künstlers, der des NRW-Forums und stets aktualisiert unter http://heimat.nrw/#overview

Text und zwei Ausstellungsfotos – Hartmut Bühler, Fotograf (DGPh), Düsseldorf

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Bildtexte zu den Horst Wackerbarth-Fotos, von oben:

“Internationale Beziehungen 1-3“ im Chemiepark Marl; © Horst Wackerbarth

Adem Carim alias »A’damn«, Rapper / Georg Ostrowski, Thyssen Krupp Steel / Götz George alias »Schimanski«, Fausto Traversari, Servicekraft / Mercator-Insel, Duisburg 2010 © Horst Wackerbarth

Anthrazit Ibbenbüren GmbH, Ibbenbüren Münsterland, 2015, © Horst Wackerbarth

LinieS9 bei Essen-Kupferdreh; © Horst Wackerbarth

Familie Paskaran, Hamm–Uentrop, 2016 © Horst Wackerbarth

“Parallel-Universum“ (Krankenschwester Elli im Stadion von Borussia Dortmund); © Horst Wackerbarth