HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

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„Fast wäre ich Assistent von
Annie Leibovitz geworden“

01. November, Köln. Die Live Music Hall ist Station der The Rise Of Chaos-Welttournee von ACCEPT: Fototermin mit Wolf Hoffmann, einem der weltbesten Metalgitarristen und Leading Head von Accept, der erfolgreichsten deutschen Metalband. Hoffmann ist einer der wenigen Rockmusiker, der die Band- und Coverfotografie nicht nur durch die Augen eines Musikers, sondern auch durch die eines Fotografen sehen und beurteilen kann. Außer ihm sind dies nur Bryan Adams, Lenny Kravitz, Farin Urlaub, Graham Nash, Patti Smith und Michael Stipe. In der Heavy Metal-Welt allerdings ist dies nur von Wolf Hoffmann bekannt. Von 1997 bis 2009 arbeitete er sehr erfolgreich im Fotografenberuf: im beinharten Business in den USA.

Hast Du die Essener Ausstellung „A Star is Born. Fotografie und Rock seit Elvis“** im Jahr 2010 besuchen können und falls ja, was blieb davon in Erinnerung?
– Nein, dazu bestand keine Gelegenheit. Hätte ich mir aber gerne angeschaut.

Die Kuratorin Christiane Kuhlmann vom Folkwang-Museum fragte damals den Fotografen Kevin Westenberg (u. a. Marilyn Manson, U2, Radiohead), ob es als Fotograf möglich sei, das Image einer Band zu kreieren: „Ja, ich denke, das ist die eigentliche Herausforderung.“ … Deine Meinung bitte.
– Dem pflichte ich bei, absolut. Ganz am Anfang hatten wir das Glück, dass unsere Managerin Gaby, die später meine Frau wurde, der Band eine richtige Fotosession vermittelte. Wir hatten damals fürchterliche Fotos. Gute Fotos sind die Grundlage, eine Band zu vermarkten und ihren Aufstieg zu ermöglichen: ein starkes Image ist das A und O für eine Band.

Im Metalhimmel thront Ihr ganz oben: kannst Du ermessen, wie hoch der Anteil der Fotografie daran ist?
– Hm, einfach ist das nicht. Wir waren ja nie die Pretty Boys oder eine Hair-/Glam-Band wie Poison oder Bon Jovi. Später waren dann die Videos bei MTV ausschlaggebend für den Erfolg. Klar, Fotos müssen cool sein. Ich kann mich erinnern, als 1976 das Album ‚Frampton Comes Alive!‘ herauskam: an jeder Ecke hing ein Poster, ein Plakat von Peter Frampton (Fotograf Richard E. Aaron). Ich bin Peter später mal begegnet und er sah diesem Foto wenig ähnlich. Darüber hinaus ist er von kleinerer Statur. Daran sieht man, was ein Foto bewirken kann. Überlebensgroße Wirkung, angedeutet über das Bild, hat nicht immer was mit der Realität zu tun.

Wie wurdest Du Fotograf?
– Es begann in den 80ern beim Touren mit ‚Touristenfotos‘. Starke Unterstützung fand ich dabei durch meine liebe Frau Gaby, die meine Begabung erkannte und mich darin bestärkte. Ich war sehr engagiert in der Schwarzweiß-Fotografie, habe die Großformatkamera eingesetzt und habe das von Fred Archer und Ansel Adams entwickelte Zonensystem beherrscht. Aber eines Tages musste ich einsehen, diese Art der Fotografie ist für mich zwar schöne, aber brotlose Kunst, dabei sehr kostenintensiv.
In einer Accept-Pause habe ich 19.. beim Düsseldorfer Fotografen Dieter Eikelpoth ein knappes Jahr assistiert. Zusammen mit Jochen Rolfes, noch heute ein guter Freund von mir. Eikelpoth hatte 1983 unser Album Balls To The Walls fotografiert. Bei Dieter habe ich eine ganz neue Welt kennengelernt und mitbekommen, was für enorme Tagesgagen in der kommerziellen Fotografie möglich waren. Zu dieser Welt wollte ich dazugehören. Nach Eikelpoth war ich dann wieder Vollzeitmusiker mit Accept. Für drei Alben.
Dann gab es wieder eine Accept-Pause. In der begann ich 1997 professionell zu fotografieren. In Nashville, wo ich schon damals wohnte. Hier in der Hochburg der Countrymusik habe ich viele Musiker und Musikerinnen fotografiert und begann Albumcover zu machen. Habe aber festgestellt, obwohl ich selbst aus der Musikszene komme, dass ich nicht in der Musikwelt als Fotograf weitermachen will. Zumal Musiker nicht immer ‚pflegeleicht‘ sind. Was mich bei den PR- oder Albumcoverfotos am meisten störte: dass nicht das künstlerische im Vordergrund stand, sondern nur die Tatsache, wie die dargestellten Menschen sich selbst fühlen, ob sie zum Beispiel gerade schlank aussehen oder nicht. Bei Gruppenfotos wird das dann noch schwieriger. Ich kenne noch gut Mark Tucker, Portraitspezialist der Countryszene und damals mein Mentor. Übrigens: damals war die Fotoszene sehr hilfsbereit und kooperativ untereinander. Danach habe ich mich der Corporate-Seite zugewendet und auch Kampagnen fotografiert. Zum Beispiel für ExxonMobil und American Express. Mit Models und allem Drumherum.

Wussten die Manager und CEOs, die Du fotografiert hast, von Deiner Vergangenheit als Metal Hero?
– Meistens nicht. Manchmal ließ sich aber nicht vermeiden, dass das Gesprächsthema auf Musik kam. Man kommuniziert ja mit den Leuten, um eine gute Atmosphäre zu schaffen. Und plötzlich stellt sich heraus, der Typ im Boardroom ist ein Metalhead und hat unsere Alben zu Hause. In Amerika ist Kommunikation prinzipiell ja leichter durch das ‚you‘, das Duzen. Die Distanz, die Schranken sind nicht so hoch wie hierzulande.

Auf der neuesten Accept-Scheibe The Rise Of Chaos gibt es den von Dir komponierten und getexteten Titel Analog Man: Die Textzeilen I´m An Analog Man … in A Digital World … In This Digital Hell… passt auch auf Segen und Fluch der Digitalen Fotografie. Bezieht sich der explizit auf die Digitale Fotografie oder ist das zu weit hergeholt?
– Das kann man zwar so sehen, bezieht sich aber mehr auf unseren Sänger Mark Tornillo, der sich gerne ‚die guten alten Zeiten‘ vor Smartphone und Co. zurückwünscht. Ich sehe das zwar nicht unbedingt so, aber: manchmal vermisse ich das Handwerkliche in der Fotografie und die Magie der Dunkelkammer aus analogen Tagen.

Alleine hinter der Kamera vor Prominenten zu stehen ist manchmal schwierig – im Kontrast zu überlebensgroß auf der Bühne in einem Stadionkonzert: woher kommen Deine Stärke und Dein Selbstbewusstsein?
– Das war nicht immer so, ganz früher war ich sogar eher unsicher. Das kommt im Lauf der Jahre, in dem man irgendwann feststellt, man kann nicht alles können, aber irgendwas kannst du, und das musst du auch gut können: darauf muss man sich konzentrieren. Als Fotograf und als Musiker habe ich gelernt, dass ´viele Wege nach Rom´ führen und gerade meine Lehrjahre in USA, wo ich für viele Fotografen gearbeitet habe, haben mir gezeigt, – da ist irgendwann mal ‚ein Licht‘ aufgegangen, wo ich mir gesagt habe: ja, jeder macht es für sich anders und auf seine Weise – aber du musst es auf deine eigene Art machen. Das Endergebnis ist das entscheidende, nicht die Technik und/oder starre Regeln. Dem Foto, dem Bild ist es egal, wie es gemacht wurde. Ja, sagte ich mir, ja dieser Fotograf ist tierisch gut, aber ich mach‘ mein Ding. So ist es auch in der Musik. Jeder macht es anders und jeder Gute findet sein Publikum.

Wie erträgst Du die Handy-Fotografie in den Konzerten? Es gab schon die ersten Konzerte, in der Mobiltelefone nicht erlaubt waren. Jack White von den White Stripes ließ kürzlich Smartphones einsammeln vor einem Konzert. Die kommen dann in ein sogenanntes Lockable Phone Case. Das ist jetzt wohl auch bei Konzerten von Gun´s´Roses und den Queen Of The Stone Age so der Fall.
– Das ist eine Art Kampf gegen Windmühlen. Ich weiß nicht, ob das unbedingt durchführbar ist. Jedenfalls sind mir Feuerzeuge lieber als Handys. Bei uns ist ein Smartphone-Verbot derzeit nicht aktuell.

Schon seit längerer Zeit unterliegt die Konzertfotografie strengen Regeln. Nach drei Songs müssen Fotografen den Konzertgraben verlassen.
– Das ist brutal gegenüber den Fotografen. Wenn zu viele da sind, dann müssen zwei Schichten arbeiten zu praktisch je anderthalb Songs. Von mir aus dürften Fotografen gerne länger bleiben, ein Limit sollte es aber geben, das sage ich aus Musikersicht. Ich arbeite den Fotografen gut zu, bin dann aber auch froh, wenn ich mich ganz dem Konzertpublikum zuwenden kann: man wird schon auch abgelenkt durchs fotografieren.

Accept-Fotografen waren und sind: Du selbst, beispielsweise fürs Accept-Album Objection Overruled, Matthias Bothor, Stefan Böhle, Scott Diussa, Dieter Eikelpoth (+), Jim Rakete, Jacques Sehy, Didi Zill… Hast Du je überlegt, dich und die Band von Annie Leibovitz, Pep Bonet oder Anton Corbijn portraitieren zu lassen?
– Bei Annie Leibovitz hätte ich beinahe mal als Assistent gearbeitet. Doch sie ließ mir keine Zeit zu antworten. Ich saß im Flugzeug, konnte natürlich nicht telefonieren und als ich dann gelandet war, hatte sie sich schon für einen anderen entschieden. Apropos Corbijn, interessieren würde es mich schon, wie er uns durch seine Kamera sehen würde.

Hast Du dich damals bei Annie Leibovitz beworben, oder kam sie auf Dich zu? Falls Du dich bei ihr beworben hast: hast Du AL Deine Fotomappe zugeschickt?
– Nein, so lief das nicht. Assistenten werden nicht aufgrund ihrer Mappen genommen, sondern eher durch Empfehlungen, ‚word of mouth’… Damals ging es um einen Photoshoot in Nashville, bei dem ich hätte mitmachen sollen. Ich habe damals mit sehr vielen verschiedenen Fotografen gearbeitet und enorm viel dabei gelernt.

Deine Fotoikonen der Musikfotografie?
– Mir fallen Portraits ein von Jim Morrison, Angus Young fotografiert von Bob Ellis, Janis Joplin in der Garderobe, Jimi Hendrix backstage. fotografiert von Jim Marshall. Diese Fotos symbolisieren die Musikszene, Ära und Aura der 70er.

Dein Lieblingscover der Rockgeschichte?
– Auf jeden Fall das Album Schools´s Out von 1972 von Alice Cooper mit dem Imitat einer aufklappbaren englischen Schulbank.
Wolf Hoffmann (*10. Dezember 1959 in Mainz) ist Musiker und Fotograf. Weltweite Bekanntheit erlangte er als Gitarrist und Komponist von Accept. Neben den Scorpions gilt Accept als erfolgreichste deutsche Hard Rock- bzw. Metalband. Hoffmann wuchs in Wuppertal auf, sein Vater war Professor für Chemie. Nach dem Abitur entschloss er sich für eine Karriere als Musiker mit Accept, der er seit 1976 angehört. Er wohnt in Nashville, Tennessee, USA.
Fotografie und Rock: Von Juli bis Oktober 2010 wurde dem Genre Musikfotografie museal gehuldigt: im Essener Folkwang Museum**. Mit „A Star is Born. Fotografie und Rock seit Elvis“ wurde der Einfluss der Fotografie auf den Starkult in 60 Jahren Rockgeschichte untersucht. Annie Leibovitz, Richard Avedon, Anton Corbijn, David Bailey, David LaChapelle, Mick Rock, Jim Rakete, Mark Seliger, Didi Zill und zahlreiche andere Fotograf_Innen sorgten dafür, dass Musiker und Bands wie AC/DC, Bob Dylan, Beatles, Rolling Stones, Jimi Hendrix, Janis Joplin, Kiss, Prince, Queen, U2 oder Frank Zappa zu Stars wurden. Und umgekehrt. – 2017 zeigte das Frankfurter Fotografie-Forum ´Rock.Funk.Punk´ – Fotos u. a. von Susan Barnett, Barbara Klemm, Pep Bonet, Anton Corbijn, Felix und Günter Pfannmüller.

Herzlichen Dank an Wolf Hoffmann: es war uns eine Ehre und Vergnügen, ‚das Auge‘ und den Gitarrengott von Accept portraitiert zu haben. Wir haben Wolf Hoffmann als absolut fokussierten und sympathischen Superstar des Metal kennengelernt. Herzlichen Dank an Frau Gaby Hoffmann, die uns dieses Privileg ermöglicht hat. Herzlichen Dank an Christoph Kniel, Fotograf aus Essen und bei diesem Fototermin Assistent, Videograf und Digital Operator. Einen XXL-Dank an die Hotelleitung und das Service-Team des Park Inn-Hotels by Radisson in Köln, das uns so umsichtig wie geschmeidig beim Shooting in der Hotel-Bibliothek unterstützt hat.

Interview © Hartmut Bühler

wolfhoffmann.com
wolfhoffmann.com/accept
acceptworldwide.com
wikipedia.org/wiki/Wolf_Hoffmann (Musiker)
wikipedia.org/wiki/Accept (Band)