HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

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Roland Barthes

Roland Barthes

Roland Barthes „Blick über die stille Oberfläche der Photographie“

Endlich habe ich es gepackt, habe die aktuelle Roland Barthes-Biographie gelesen. Ich war voller Zuversicht, dass mich das Buch der Literaturhistorikerin Prof. Tiphaine Samoyault (2015 bei Suhrkamp erschienen) zu einem fotografischen Projekt inspirieren würde. Der französische Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker Roland Barthes „gilt als einer der [markantesten] profiliertesten Wissenschaftler im Bereich der strukturalistischen Semiotik bzw. Semiologie.“ Barthes verwendete die Methoden des Strukturalismus und der Dekonstruktion, aber auch der Psychoanalyse, um moderne gesellschaftliche Phänomene wie Texte, Filme, Fotografie, Mode, Werbung oder die Liebe zu untersuchen. „Als Kritiker zu aktuellen und im Wesentlichen literarischen Ereignissen löste er oft scharfe Auseinandersetzungen aus“. (Wikipedia)

Barthes wurde am 12. November 1915 in Cherbourg geboren. 1980 erschien sein letztes Buch „Die helle Kammer“. Am 26. März 1980 starb er an den Folgen eines Unfalls in einem Pariser Krankenhaus (Wikipedia). Der Unfall geschah wahrscheinlich, weil er in Gedanken mit seinem nächsten Universitätsseminar befasst war, welches er Marcel Proust und der Fotografie widmen wollte.

„Die helle Kammer“ erscheint 1980, in Barthes‘ Todesjahr. Dieser subjektive Essay zur Fotografie gilt heute als Standardwerk. Gleichzeitig ist dieses Vermächtnis des großen Semiologen auch ein Zeugnis und Relikt aus einer vordigitalen Zeit. … Aus heutiger Sicht ist es Barthes‘ beharrliche und poetische Annäherung [an die Fotografie], die seinen Essay noch immer lesenswert und erhellend macht. „Ich kann zwar der PHOTOGRAPHIE nicht auf den Grund kommen, sie nicht durchdringen“, gesteht er am Ende ein. „Ich vermag nur meinen Blick über ihre stille Oberfläche schweifen zu lassen.“ Aber indem wir seinen verweilenden Betrachtungen folgen und zahlreiche Fotografien mit seinen Augen sehen, gewinnen wir grundlegende Einsichten in das Wesen der Fotografie und die Beteiligung des Betrachters (aus Daniel Ammann „Die Aura der Fotografie – Roland Barthes´ ´Bemerkung zur Photographie´ in neuem Licht“ →
literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=14832).

Nach der Auseinandersetzung mit RBs Leben und Werk komme ich zu der Erkenntnis: diese Biographie war im Wortsinne erhellend für mich. Sehr emotional sind die neun Seiten des Kapitels „Helligkeit“ über PHOTOGRAPHIE, die Mutter, den Tod und das MITLEID. Jedoch hat sich aus den 839 Seiten Lesestoff – noch – kein Fotoprojekt ergeben. Und eine fotografische Interpretation bzw. Umsetzung von Laurent Binets 2015 erschienenem Kriminalroman „Die siebte Sprachfunktion“ jedenfalls erweist sich als zu aufwendig und wäre auch nicht meine Idee. In diesem 528 Seiten-Buch (Rowohlt) wird Barthes ermordet und der Leser ins Pariser Intellektuellenmilieu der 1980er Jahre „entführt“.

Selbstverständlich kenne ich „Die helle Kammer“. Demnächst befasse ich mich mit Barthes´ „Auge in Auge – Kleine Schriften zur Photographie“. Darin geht es u. a. um die Portraitfotografie und um „Harcourt“-Schauspieler.

„In Frankreich ist man erst dann Schauspieler, wenn man von den Studios Harcourt fotografiert wurde.“ Mit diesem Zitat aus Roland Barthes – Mythologies (1957) wirbt Harcourt aktuell auf seiner Homepage. Die Studios Harcourt in Paris existieren noch immer. Ihre Geschichte begann (laut Harcout) am 15. Januar 1934. Wohl alle französischen Film- und Musiklegenden haben sich in von Harcourt glamourös portraitieren lassen. Auf Initiative von Jack Lang, ehemals Minister für Kultur, wurde der Harcourt-Fonds mit Negativen und Archiven vom Staat gekauft und ruht seitdem in der Médiathèque de l’Architecture et du Patrimoine in der Festung Saint-Cyr. Seit 2007 wird der Schatz über RMN, die Réunion des Musées Nationaux, dem Publikum präsentiert.
Details am Rande: Barthes soll sein Wissen über die Fotografie vor allem Hugues Autexier und Francois Braunschweig verdanken, die um 1980 in der Rue Mazarine, Paris, eine Galerie für französische Fotografie gründeten. Der Barthes-Familienhund hieß „Lux“, und RB interessierte sich fürs Catchen: schon in den 1950er Jahren besuchte er in Paris die Vorläuferspektakel des heutigen Wrestling, deren Akteure schon damals Volksikonen waren. Seine Schreibmaschine war eine Olivetti, Kleidung kaufte RB bei Old England, Hermès und Lanvin.

Dieser Text (entstanden im Januar 2017) verzichtet auf Zitate und die Abbildung der Samoyault- Biographie (sie ist bereits die dritte in deutscher Sprache erschienene), da Suhrkamp Zitate und Buchtitelabdruck der Honorarpflicht unterstellt. Stattdessen
suhrkamp.de/download/Blickinsbuch/9783518425060.pdf

Bildtext: Roland Barthes entschlüsselt in seinem Buch „Mythen des Alltags“ auch die `göttlichen Qualitäten` des Citroën DS (Text & Foto: Hartmut Bühler)