HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

HARTMUT BÜHLER FOTOGRAFIE

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Herlinde Koelbl

Herlinde Koelbl

Bildnisse von Doppelleben – Herlinde Koelbls Fotoserie „Kleider machen Leute“
„Ja, die Uniform verändert das eigene Verhalten innerhalb von Sekundenbruchteilen“, so die freundliche Lady vom Museumssicherheitsdienst im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Ihr Kollege ergänzt „Autorität und Identifikation mit dem Beruf werden bereits während des Anziehens der Berufskleidung hergestellt.“

Das uralte Sprichwort „Kleider machen Leute“ ist eine immer wieder bestätigte Binsenweisheit. Dem universellen Thema „Kleidung und Uniform“ widmete sich die Fotografin Herlinde Koelbl von 2008 bis 2012 im In- und Ausland. Ihre daraus resultierenden Arbeiten sind zurzeit in Dortmund zu sehen.
Nach Auffassung des Anthropologen Alexander Pashos lässt sich der geschichtliche Zeitpunkt, seit dem Menschen regelmäßig Kleidung tragen, aus dem Auftreten der Kleiderlaus schätzen. Daraus gefolgert deuten aktuelle Genanalysen auf einen Entstehungszeitraum vor etwa 75.000 Jahren hin. Darüber hinaus existieren jedoch auch andere Auffassungen, nach denen bereits bis vor ca. 650.000 Jahren die Vorfahren des heutigen Menschen Kleidung trugen (Quelle: Wikipedia).

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Ausstellungsfoto – Hartmut S. Bühler

Bildinterpretation und Selbstaussage
Die Verwandlungen von Menschen in ein uniformiertes Ich interpretierte Herlinde Koebl nicht nur in den Bildern, sondern gelangte als Interviewpartnerin zu konkreten Aussagen der Dargestellten, die häufig überraschen und berühren. Auch diese Selbstaussagen der Fotografierten sind in der Schau zu sehen und zu lesen.

In 70 Doppelporträts – isoliert vor neutralem Hintergrund – zeigt Herlinde Koelbl, wie die Körper der Abgebildeten durch Uniformen zu Gestalten werden. Ob Ordensschwester oder Kaminkehrerin, General oder Metzger: Es ist ihre Berufskleidung, die den Menschen eine Identität verleiht.

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Ausstellungsfoto – Hartmut S. Bühler

Soziale Rolle und individueller Charakter
Erforscht wurde in der Serie – fotografiert wurde mit einer Leica – , was die unterschiedlichen Uniformen aus den Personen machen. Die Kategorien der Wahrnehmung anderer Menschen werden in dieser Ausstellung bestätigt und gleichzeitig verunsichert: In welcher Kleidung zeigen sich die Porträtierten in ihrer sozialen Rolle, in welcher kommt ihr individueller Charakter zur Geltung?

Vertreten waren Menschen aus Berufsgruppen, in denen eine spezifische Kleidung traditionell eine große Rolle spielt wie etwa beim Militär, in den Kirchen oder im Hotelwesen. Daneben waren zahlreiche andere Professionen beteiligt: ein Astronaut, ein Bergmann, eine Bundesverfassungsrichterin, ein Clown, ein Diplomat, eine Domina, ein Jockey, eine Geisha, ein Sargträger und zahlreiche andere. Niemand der Dargestellten wird vorgeführt oder der Lächerlichkeit preisgegeben. Respekt und Verantwortung gegenüber ihren Portraitierten sind Grundprinzipien der fantastischen Fotografin, die 2001 den Dr. Erich Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Fotografie erhalten hatte.

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Ausstellungsfoto – Hartmut S. Bühler

Der Metzger Josef Hintermeier
Was macht eine Uniform bzw. die Berufskleidung mit dem Menschen, der sie trägt? Dies zeigt vor allem der Protagonist auf dem Titelbild des Ausstellungskataloges, der Metzger Josef Hintermeier. Warum er erwählt wurde, bleibt unklar.

Bemerkenswert das Statement zu seinem Doppelportrait. Hintermeier: „Ich bin schon vierzig Jahre Metzger. In der Schule hatte ich schlechte Noten, lauter Fünfer, da blieb mir nur diese Wahl. Die Arbeitskleidung muss praktisch, bequem und sauber sein, darauf lege ich Wert. Die Messer sind meine eigenen und sehr wichtig für meine Arbeit. Ich achte sehr darauf, dass sie immer scharf sind. Da ich auf dem Bauernhof aufgewachsen bin, habe ich schon von klein auf gelernt, Tiere umzubringen. Bei meiner früheren Stelle musste ich alle Tiere töten, die mir zugetrieben wurden, auch die kleinen Lämmchen. Eigentlich ist das doch Wahnsinn, habe ich mir gedacht und gewechselt. Jetzt bin ich nur für das Enthäuten zuständig. In der Freizeitkleidung fühle ich mich wohler, denn meine Metzgerkluft ist mit Arbeit verbunden und mit Verantwortung.“

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Metzger Hintermeier – Fotografie – Herlinde Koelbl

Bleibt noch die Frage: wie schaut die Koelbl-Berufskleidung aus?
Da scheint es keine spezielle Kleidung zu geben, doch ihre roten Haare trägt sie immer hochgesteckt. Womit wir bei einem weiteren Koelbl-Thema sind – ihrem Fotobuch „Haare“ (Verlag Hatje Cantz).

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Ausstellung / „Kleider machen Leute“ / Museum für Kunst und Kulturgeschichte / Dortmund

www.mkk.dortmund.de
Die Ausstellung „Kleider machen Leute“ in Dortmund wird von der Kulturstiftung Dortmund gefördert. Kulturpartner des Museums für Kunst und Kulturgeschichte ist der WDR.

Linktipps:
http://de.wikipedia.org/wiki/Herlinde_Koelbl
http://de.wikipedia.org/wiki/Kleidung
http://www.herlindekoelbl.de/exhibitions_present.php
http://www.spiegel.de/fotostrecke/berufskleidung-ausstellung-kleider-machen-leute-von-herlinde-koelbl-fotostrecke-81934.html
http://www.hatjecantz.de/herlinde-koelbl-3147-0.html

Läßt sich eine Gesellschaft ins Bild fassen, gibt es so etwas wie eine fotografische Soziologie? In den 1920er Jahren hat sich diesen Fragen August Sander befasst. Mit seinem Bildatlas Menschen des 20. Jahrhunderts hat er ein „epochemachendes“ Fotoprojekt geschaffen. Siehe diesen Link zur Süddeutschen Zeitung:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/herlinde-koelbl-ausstellung-in-dresden-doppelleben-mit-uniform-1.1351244

Text und Ausstellungsfotos: Hartmut S. Bühler